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5. Juni 2022

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- Von Schützenhöfer zu Drexler: Experten analysieren die LH-Übergabe - Sonntagsfrühstück mit Rudi Anschober - Star.Wine Salongespräch zum Thema Bauen in Graz - Happy Pride Month: Graz braucht Vielfalt - Grazer Straßen erhalten Biografien

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10 graz www.grazer.at 5. JUNI 2022 „Leere Anleger-Wohnungen SPANNEND. In der zweiten Auflage unserer StarWine Salongespräche drehte sich alles um das Bauen in Graz. Auch diesmal diskutierten hochrangige Experten aus Politik und Wirtschaft die heißesten Themen. Unternehmer Werner Gröbl, SP-Chef Michael Ehmann, Nikolaus Lallitsch (GF Raiffeisen Immobilien), „Grazer“- GF Gerhard Goldbrich, Wolfram Sacherer (GF der ENW), „Grazer“- Chefredakteur Tobit Schweighofer und Gastgeber Alexander Andreadis (v. l.) SCHWARZBACH (5), KK Von Tobit Schweighofer tobit.schweighofer@grazer.at In jeder größeren Stadt kommt dem Thema Bauen ein besonders hoher Stellenwert zu. In Graz wurde es sogar zum Stolperstein für Rekordbürgermeister Siegfried Nagl, dem von der Opposition im Wahlkampf „Bauwut“ attestiert wurde. Die neue Stadtregierung von Bürgermeisterin Elke Kahr (die zwar politisch zuständig ist, aber am Salongespräch nicht teilnehmen konnte), Vizebürgermeisterin Judith Schwentner und Michael Ehmann warb hingegen damit, einen Baustopp in der schnell wachsenden Stadt Graz zu verhängen. Auch wenn 14.000 Jobs alleine in Graz durch Baudienstleistungen gesichert werden, steht SP- Chef Ehmann auch beim „Grazer“ StarWine Salongespräch zu diesem Vorhaben: „Wir haben jetzt einmal den Flächenwidmungsplan in Revision geschickt, um uns anzuschauen, ob das alles noch so passt. Man muss sich als Kommune überlegen, wo es Sinn macht zu verdichten, oder eben nicht.“ Zustimmung erhält Ehmann vom Vorstandsvorsitzenden der Ennstal Gruppe und Geschäftsführer der ENW Wolfram Sacherer: „Es ist viel passiert in den letzten Jahren in Graz. Vielleicht wirklich etwas zu viel und nicht immer am richtigen Ort.“ Der falsche Weg Seit dem Kulturhauptstadtjahr 2003 hat man durch den starken Zuzug 35.000 zusätzliche Wohnungen gebraucht. „Das stellt die Stadt natürlich vor Herausforderungen“, meint der Geschäftsführer von Raiffeisen Immobi- lien Nikolaus Lallitsch. „Da ist es natürlich sinnvoll, dass man sich überlegt, wie man dem Herr werden kann. Dass die Stadt aber eine Auszeit nimmt und nichts tut, ist aus meiner Sicht der komplett falsche Weg.“ Der größte Fehler wäre, die Stadt über den Grüngürtel hinaus zu bauen. Deshalb müsse man an einer vernünftigen Nachverdichtung arbeiten. Dieser Begriff sorgt bei vielen aber für eine völlig falsche Assoziation, wie Bauunternehmer Werner Gröbl meint. „Wenn man sagt ,dicht bauen‘, glauben die Leute, da wird alles zubetoniert. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall. Wenn ich in die Höhe baue, erhöht sich die Dichte, es bleibt aber viel mehr Grünraum übrig. Das müsste der Stadt gelingen, den Menschen zu erklären.“ Lallitsch hingegen geht nicht davon aus, dass „die Stadt in der jetzigen Regierung besonders viel Verständnis für die Bauträger aufbringen wird. Es hat sich in den Hirnen eingebrannt, dass es in Graz eine Bauwut gibt. Dabei muss man auch ganz klar sagen, dass die Preise ohne diese Siedlungen und Wohnungen explodiert wären.“ Bauwut gibt es nicht Es gibt in Graz, so Lallitsch weiter, konstant 4000 Mietwohnungen und 1500 Eigentumswohnungen, die man sofort anmieten beziehungsweise kaufen kann. „Das ist definitiv keine große Überproduktion. Und schon gar nicht gibt es Leute, die Wohnungen kaufen, sie leerstehen lassen und damit spekulieren. Das ist ein Märchen!“ Damit widerspricht Lallitsch einer zentralen Botschaft der Koalition, die den zahlreichen leerstehenden Anlegerwohnungen

5. JUNI 2022 www.grazer.at graz 11 sind nur ein Märchen!“ in Graz den Kampf ansagen will. Unter anderem wird ja gerade deshalb über eine Leerstandsabgabe diskutiert. „Das wäre reine Kosmetik und nicht zielführend.“ „Dass es keine leerstehenden Wohnungen von Spekulanten gibt, kann ich nur als fromme Botschaft bezeichnen“, wehrt sich Ehmann. „Natürlich verstehe ich das Wirtschaftsmodell mit Anlegerwohnungen und dass man sein Geld vermehren möchte. Das kann ich persönlich alles nachvollziehen. Aber als Kommune habe ich eine andere Aufgabe. Weil die Kommune selbst hat ja zum Beispiel die Infrastrukturkosten mitzutragen und es kann nicht sein, dass wir alles Spekulationsobjekte finanzieren.“ Um hier mit seriösen Zahlen arbeiten zu können, wird derzeit eine Leerstandserhebung versuchsweise in zwei Bezirken durchgeführt. „Erst dann können wir mit geeigneten Maßnahmen reagieren“, erklärt Ehmann. „Es gibt zum Beispiel die Idee der Mobilisierungsverträge, in denen festgelegt wird, dass in einem gewissen Zeitraum eine gewisse Zahl an Wohnungen auf den Markt zu bringen ist. Wenn das nicht möglich ist, gibt es eine Abschlagszahlung, und die kommt wieder dem kommunalen Wohnbau zweckgewidmet zugute.“ Leerstände sind sinnlos Auch Gröbl glaubt nicht an die Geschichte der leerstehenden Anlegerwohnungen. „Welchen Grund sollte denn ein Anleger bitteschön haben, eine Wohnung zu kaufen, die er dann leerstehen lasst? Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn. Die Wohnung bringt so ja kein Geld, dafür muss man die Betriebskosten zahlen. Wir haben in unserem Wohnpark 270 Wohnungen und ich kenne keinen Einzigen, der seine Wohnung freiwillig leerstehen lässt.“ Attraktiver Stadtrand Eine weitreichende Entwicklung hat Sacherer vor allem in der Corona-Zeit beobachtet: „Die Menschen wollen verstärkt Freiflächen. Immer mehr Leute ziehen an die Peripherie. Das Homeoffice, das jetzt ja schon ganz gut funktioniert hat, wird vielleicht noch viel stärker eingesetzt. Man wird nicht mehr so oft zur Arbeit fahren müssen. Vielleicht gibt es sogar nur mehr eine Vier-Tage- Woche oder dergleichen. Das muss ja alles mitberücksichtigt werden.“ Auch junge Grazer, die sich Eigentum anschaffen wollen, können sich dies, wenn überhaupt, nur noch am Stadtrand leisten, was den Effekt natürlich verstärkt. In diesem Punkt waren sich alle Gesprächsteilnehmer einig. Sacherer brachte das Gespräch schließlich perfekt auf den Punkt: „Das Thema Wohnen wird uns auf jeden Fall noch weiter beschäftigen. Ich hoffe nur, dass die Dinge, die in der heutigen Diskussion angesprochen wurden, auch zur Umsetzung kommen.“ Michael Ehmann Nikolaus Lallitsch Wolfram Sacherer Werner Gröbl

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