2 die seite zwei www.grazer.at 4. APRIL 2021 E D I T O R I A L von Tobit Schweighofer ✏ tobit.schweighofer@grazer.at Die Euphorie verschwand zu Ostern V or einem Jahr feierten wir unser erstes Corona- Osterfest. Heuer gibt’s die zweite Auflage, und doch ist diesmal alles anders. Damals, mitten im ersten Lockdown, waren wir noch von einer Euphorie getragen, tausende hatten Spaß dabei, die Fleischweihe über den Fernseher durch Bischof Wilhelm Krautwaschl zu empfangen. Auch wir beim „Grazer“ haben motiviert verkündet: „Die Hälfte ist geschafft! Wir müssen nur noch zehn Tage durchhalten.“ Nun ja. Das klingt rückblickend natürlich naiv, aber wir alle wurden erst nach Ostern 2020 unserer Corona-Unschuld beraubt. Vor genau einem Jahr kam es zum Wendepunkt der Stimmungslage, und die ersten kritischen Stimmen wurden leise laut. Kanzler Sebastian Kurz hatte eine „Wiederauferstehung zu Ostern“ in Aussicht gestellt. Zugleich war man im Gesundheitsministerium ob der Familienfeiern besorgt. Das Ergebnis war ein unausgegorener Ostererlass, der schnell wieder revidiert wurde. Man bekam eine erste Ahnung, wie das alles weitergehen könnte und letztendlich auch weiterging. Dennoch könnte das heurige Osterfest wieder für eine Stimmungswende sorgen. Nur diesmal zum Guten. Zugegeben: Gründe für diese Hoffnung muss man zwar mit der Lupe suchen, aber lassen wir uns überraschen, denn Wunder gibt es immer wieder. Und ganz besonders zu Ostern. Tobit Schweighofer, Chefredakteur SONNTAGSFRÜHSTÜCK MIT ... ... Wilhelm Krautwaschl Das Ende der Fastenzeit zelebriert Bischof Wilhelm Krautwaschl mit einer ausgiebigen Osterjause. Später gibt’s noch das erste Eis des Jahres. LUEF Anlässlich des heutigen Ostersonntags haben wir mit dem Bischof über das Fest, die Corona-Situation und aktuelle Kirchen-Themen gesprochen. Man hört, Sie sind ein Frühaufsteher ... Ja, ich bin’s gewohnt und wache spätestens um sechs Uhr auf – auch ohne Wecker. Nach sieben Stunden bin ich ausgeschlafen. Aber ich muss zugeben, das hat sich erst in den letzten Jahren so entwickelt (lacht). Man sagt ja, dass das Schlafbedürfnis mit dem zunehmenden Alter ein anderes wird. Zumindest haben Sie dann mehr Zeit für Frühstück. Was gibt’s da? Jeden Tag etwas anderes, was halt gerade da ist – vom einfachen Brot über Semmeln, manchmal Käs, manchmal Wurst, manchmal ein Ei. Ich bin nicht so ein Süßer, eher ein Pikanter. Verzicht sind wir auch außerhalb der Fastenzeit mittlerweile schon gewohnt. Was geht Ihnen momentan am meisten ab? Die Frage stelle ich mir eigentlich gar nicht. Ich bilde mir ein, dass ich recht zufrieden bin. Ich kenn’s auch von daheim vom Bauernhof, dass wir nicht alles gehabt haben. Ich frage mich eher, worauf ich mich besonders freue: einerseits auf das Aufblühen, das Aufleben der Natur. Und am Ostersonntag gibt’s dann immer das erste Eis des Jahres. In meinem Nachbarhaus gibt’s auch gleich einen guten italienischen Eissalon. Welche ist Ihre schönste Kindheitserinnerung zu Ostern? Die Freude, dass man beschenkt wird und man ein Osternesterl suchen kann, egal, was drin war. Das Beschenktwerden hat ja auch deutlich gemacht, dass man gerngehabt wird. Und ich erinnere mich an die skurrile Situation – mein Vater war ja Bestatter –, als der symbolisch Auferstandene nach der Feier dann immer im Leichenwagen zurück in die Kirche geführt wurde. Das hat einfach nicht zusammengepasst! Zuletzt gab’s Aufregung um das Segensverbot für Homosexuelle. Wie stehen Sie dazu? Wenn ich probiere, dem Ganzen etwas Positives abzugewinnen, ist das, dass das Sakrament der Ehe wertgeschätzt wird. Die Frage ist, ob nur das eine oder das andere möglich ist – und das glaube ich nicht. Menschen in jeder Lebenssituation zu begleiten, ist doch wohl meine Hauptaufgabe. Ob’s dann ein Segen oder sonst was ist, ist eigentlich egal. Es geht darum, wie ich mit den Menschen lebe – und das werde ich mir nicht nehmen lassen. Wie kann die Kirche den modernen Lebenswelten gerecht werden? Wir können ja nicht einfach vom Evangelium Abschied nehmen. Aber da stehen auch die Worte Jesu „Bekehrt euch!“, wir müssen uns also immer weiterentwickeln und lernen. Das geht aber nicht von heute auf morgen. Man erlebt sich da auch am Kreuz – es gibt nicht immer nur das Halleluja! Wie können Sie entspannen? Ich mag Krimis, sowohl im Fernsehen als auch als Buch – und da ist mir auch egal, ob ich ihn schon drei- oder viermal gesehen habe. Ich lese auch gerne liturgische Literatur. Andere Meinungen sind ein Segen! Ich muss die Meinung ja nicht annehmen, aber es ist schön, dass es auf unterschiedliche Fragen unterschiedliche Antworten gibt! Wozu ich mich ehrlich gesagt immer aufraffen muss, ist Bewegung. Wo ist für Sie der schönste Ort auf Erden? Dort, wo ich gerade bin! Das ist tatsächlich so. Ich kann das relativ gut, dass ich wirklich mit dem ganzen Herzen an dem Ort bin, an dem ich gerade bin. VERENA LEITOLD Wilhelm Krautwaschl wurde am 5. März 1963 in Gleisdorf geboren. Nach der Matura studierte er Theologie in Graz und trat ins Priesterseminar ein. 2015 wurde er zum Bischof der Diözese Graz-Seckau geweiht.
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