2 die seite zwei www.grazer.at 28. JÄNNER 2024 E D I T O R I A L I von Tobit Schweighofer ✏ tobit.schweighofer@grazer.at Fakten sind erst Fakten, wenn sie erzählt werden mage ist alles. Mit dieser Erkenntnis hatte Canon schon in den 90er Jahren erfolgreich geworben und sie gilt heute mehr denn je. Nicht nur in der großen weiten Welt, sondern natürlich auch in Graz. Weit abseits von Inhalten und Fakten zählen die Geschichten, an die die Mehrheit glaubt. In der Politik kann man versuchen, einem Gegner ein negatives Image zu verpassen. Spätestens als Altbürgermeister Siegfried Nagl der Spitzname „Beton-Siegi“ umgehängt wurde, hätte man wissen müssen, dass er ein großes Problem hat. Doch man muss einen anderen nicht heruntermachen, man kann sich auch eine identitätsstiftende Erzählung über sich selbst ausdenken. Zum Beispiel haben die Grünen um dem Image der „Stau-Judith“ entgegenzuarbeiten, versprochen, einen Baum pro Tag zu pflanzen. Absolut glaubwürdig, jeder kennt die Geschichte, dass die Umwelt bei den Grünen oberste Priorität hat. Tatsächlich wurden im Vorjahr sogar 787 Bäume gepflanzt (siehe Seiten 4/5), das Versprechen wurde somit gehalten. Nagl hat übrigens bereits im Jahr 2020 die Initiative „Stadtbaum“ gestartet, bei der jährlich 800 neue Bäume gesetzt wurden. Aber damals war er noch unser Rekordbürgermeister und nicht der „Beton-Siegi“ und damit natürlich Star einer völlig anderen Geschichte, die heute keiner mehr hören will. Tobit Schweighofer, Chefredakteur SONNTAGSFRÜHSTÜCK MIT ... ... Siegfried Nagl Der Grazer Altbürgermeister verrät sein Gesundheitsgeheimnis und spricht über seine Rolle als Allein- VERzieher. Was frühstücken Sie? Honig gehört unbedingt dazu, entweder auf einem Brot oder einem Semmerl. Meine Tochter Sandra ist seit zwei Jahren auch Imkerin, da gibt es jetzt schon einen eigenen Familienhonig. Und wie schaut’s mit Kaffee aus? Ich glaub, ich hab in meinem ganzen Leben noch keine drei Kaffee getrunken. Ich mag den Geruch und die Kaffeehauskultur, aber es schmeckt mir einfach nicht. Ich trinke – inspiriert von den Shao lin-Mönchen – am liebsten heißes Wasser, hin und wieder mit Zitrone. Das energetisiert und reinigt den Körper, ist gut für die Gesundheit. Sind Sie ein Frühaufsteher? Nein, ich bin ein Spätschlafengeher. Ich gehe nie vor Mitternacht schlafen. Meine Geburtszeit ist 23.30 Uhr, vielleicht bin ich deshalb so eine Nachteule. Aber unter der Woche stehe ich schon so um viertel sieben auf. Geht Ihnen die Politik ab? Ja und nein. Mitzugestalten war immer mein Anliegen. Die Art und Weise, wie sich die Politik inzwischen begegnet, weckt aber keine große Sehnsucht in mir. Das Miteinander war früher schon besser! Apropos Miteinander: Sie engagieren sich bei den Oberlandlern ... Dort wird das Miteinander großgeschrieben. Alle helfen mit, jeder kümmert sich um etwas. Ein „Nein“ hört man von einem Oberlandler nicht. Und wir werden jeden Donnerstag daran erinnert, dass es Menschen gibt, die Hilfe brauchen. Das erdet einen schon sehr! Seit letztem Jahr organisieren Sie auch den Oberlandler Ball. Was erwartet die Gäste da? Ein geselliges, familiäres, wunderschönes Fest. Ein Highlight ist sicher wieder die Kinderpolonaise. Und zu Mitternacht gibt es natürlich wieder einen Stargast: Dieses Mal kommt Vanessa Mai zu uns. Siegfried Nagl ist seit 2022 auch Ballfestbauer der Oberlandler. Vor dem großen Ball am 3. Februar haben wir ihn auf ein heißes Wasser getroffen. GASSER Beruflich sind Sie bei der Wirtschaftskammer für den Energiemasterplan zuständig. Was gibt Ihnen persönlich Energie? Ich hab vor rund 20 Jahren von einem Kampfsportler aus Korea gelernt: Es gibt drei Arten der Nahrung. Das tägliche Essen, die seelische Nahrung, wie wir miteinander umgehen, und die kosmische Nahrung durch die Natur. Wo holen Sie sich die kosmische Nahrung? Ich bin ein Wanderer. Es gibt so schöne Berge in Österreich. Meine schönsten Touren bisher waren eine Schitour am Wattener Lizum, als uns ganz Südtirol zu Füßen lag, oder die Tour zum 80er von Leopold Städtler auf den Admonter Kalbling gemeinsam mit Hermann Schützenhöfer und Waltraud Klasnic. Sie haben inzwischen sechs Enkelkinder. Geben oder kosten die mehr Energie? Die geben mehr Energie! Aber wickeln den Opa schon um ihren Finger! (lacht) Unsere jüngste Prinzessin Anna ist jetzt ein halbes Jahr alt. Ich bin in unserer Familie ja der „AlleinVERzieher“! Bei mir dürfen sie schon mehr – und eine Schokolade finden wir auch immer irgendwo! Was würden Sie ihnen gern beibringen? Ganz nach dem STS-Lied „Großvater“ (Kannst du net obakumman auf an schnön Kaffee?), dass sie jederzeit mit allen Anliegen zu mir kommen können, dass sie Vertrauen haben. Bei mir ist es halt kein Kaffee, sondern ein Wasser! (lacht) VERENA LEITOLD Siegfried Nagl wurde am 18. April 1963 in Graz geboren. Er arbeitete im elterlichen Betrieb Klammerth und engagierte sich beim Wirtschaftsbund, bevor er in die Politik ging. Von 2003 bis 2021 war er der am längsten dienende Bürgermeister der Stadt Graz. Nun ist er bei der WKO für die Koordinierung des Energiemasterplans zuständig. Er engagiert sich etwa bei den Oberlandlern und organisiert den Ball seit 2023.
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