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19. März 2023

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- Einsparungen: Holding Graz warnt vor Insolvenz 2027 - Sonntagsfrühstück mit Grete Tiesel - 10.000 Euro für ein Spiel von Sturm Graz - Interview mit Styria-Vorstand Markus Mair - Café WIFI: Wir müssen das Image des Alters ändern

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22 eco www.grazer.at 19. MÄRZ 2023 Runder Tisch „Wir müssen das Image des Gernot Deutsch, „Grazer“-Chefredakteur Tobit Schweighofer, Martin Neubauer, Reinhild Wallner und Karl-Heinz Snobe (v. l.) GASSER (6) RUNDER TISCH. Im Café WIFI ging es diesmal um die „Silver Learner“, also die ältere Generation, die am Arbeitsmarkt immer wichtiger wird und ohne die wir einer schweren Zukunft entgegenblicken müssten. Von Tobit Schweighofer tobit.schweighofert@grazer.at Der Arbeitsprozess verändert sich, das Arbeitsleben verlängert sich – daher kann man sich nicht mehr bereits mit 50 oder 55 Jahren in die Komfortzone begeben und die Weiterbildungen den Jüngeren überlassen. Welche Potenziale gehen hier sowohl für Unternehmen als auch für die Mitarbeiter selbst verloren? Wo liegen die Chancen beim „Sil- Wir suchen nur noch Leute, die mit Herz und Seele dabei sein wollen. Wir haben ein Inserat geschalten, in dem wir gefragt haben: Ihr sagt uns, was ihr tun wollt, wie lange Gernot Deutsch, GF Quellenhotel Heiltherme Bad Waltersdorf ver Learning“? Im Rahmen des Café WIFI haben wir genau diese Fragen mit dem Geschäftsführer des AMS Steiermark Karl-Heinz Snobe, dem Leiter des WIFI Steiermark Martin Neubauer, Psychologin Reinhild Wallner und dem Geschäftsführer des Quellenhotels Heiltherme Bad Waltersdorf Gernot Deutsch unter die Lupe genommen. Ältere Menschen in den Arbeitsprozess zurückzuholen ist für Karl-Heinz Snobe alles andere als eine fromme Fantasie: „Ganz und wann. Und die Telefone sind übergegangen.“ Reinhild Wallner, Psychologin im Gegenteil, das ist absolut notwendig. Wir haben derzeit ja zu wenig Arbeitskräfte, und wenn man sich die Gruppen anschaut, bei denen Potenziale liegen, ist die Gruppe 55+ rein quantitativ die wichtigste Gruppe.“ Damit sind Menschen gemeint, die eigentlich noch länger arbeiten könnten, aber trotzdem aus dem Arbeitsprozess ausscheiden. „Da müssen sich die steuerpolitischen Rahmenbedingungen ändern, und da muss sich auch das Mindset ändern.“ An die Stelle von Work-Life-Balance trit gerade ein neuer Begriff: Work-Life-Blending. Das bedeuet, dass Arbeit und Freizeit ineinander verschmelzen. Wir leben inzwischen in einer flexiblen Welt, da ist das ein sehr gutes Modell.“ Das Interesse der älteren Generation an Weiterbildungen ist jedoch nicht besonders groß. „Mit dem 51. Lebensjahr sinkt die Weiterbildungsrate fast gegen Null“, berichtet Martin Neubauer. „Das ist für uns beim WIFI natürlich extrem schwierig, weil wir sehr viele Menschen ausgleiten lassen, die glauben, dass sie nicht mehr lernen können. Das ist aber absolut nicht zutreffend.“ Anreize zu schaffen ist schwierig, auch Geld löst hier keine Probleme. „Zu sagen, wir zahlen dir die Hälfte vom Kurs, und die Bude ist voll, ist ein Irrglaube.“ Man muss vielmehr im emotionalen Bereich ansetzen und klarmachen, was eine Weiterbildung tatsächlich bringt. Dem stimmt auch Psychologin Reinhild Wallner zu: „Menschen von außen zu motivieren, sich aus der Komfortzone zu begeben und sich weiterzubilden, ist immer ein bisserl schwierig. Wenn ich mit der Einstellung groß geworden bin, dass Arbeit immer nur schwer und Lernen immer blöd ist, dann wird man sich kaum dazu aufraffen können, nicht in Frühpension zu gehen,

19. MÄRZ 2023 www.grazer.at eco 23 Alters dringend ändern“ sondern doch noch ein paar Jahre zu arbeiten.“ Hier brauche es ein nachhaltiges Umdenken. An die Stelle von Work-Life-Balance kommt gerade ein neues Wort: Work-Life-Blending. Das bedeutet, dass die Grenzen von Arbeit und Freizeit verschwimmen. Es kann also sein, dass man während der Arbeit private Angelegenheiten erledigt und umgekehrt während der Freizeit berufliche Angelegenheiten. Arbeitgeber gefordert Aber nicht nur die Arbeitnehmer brauchen ein neues Mindset, auch die Arbeitgeber sind gefordert, wie man Menschen mit viel Praxiserfahrung in den Betrieben einsetzen kann, damit sie etwa als Vorbilder für die Jungen fungieren können. „Man muss den Älteren Bedeutung geben. Natürlich muss man dann schauen, welche Skills die älteren Mitarbeiter brauchen, um dort eingesetzt zu werden, wo man sie braucht.“ Einer, dem das schon sehr gut gelungen ist, ist Gernot Deutsch vom Quellenhotel Heiltherme Bad Waltersdorf, der in diesem Bereich eine Vorreiterrolle einnimmt. „Wir suchen generell alle Menschen, die mit Herz und Seele dabei sein wollen. Und sagen ihnen: Wenn ihr mit Gästen arbeiten wollt, dann seid ihr bei uns herzlich willkommen. Alles andere bringen wir euch bei. Es ist wichtig, die Menschen dort abzuholen, wo sie gerne abgeholt werden möchten.“ Deutsch hat ein Stelleninserat geschalten, mit dem Aufruf: „An alle Pensionisten, Schüler und Studenten: Ihr sagt uns, was ihr tun wollt, wie lange und wann.“ Und die Reaktionen waren überwältigend: „Auf einmal sind die Telefone übergegangen, und wir haben auch Anrufe von Medien gekriegt, die wissen wollten, was wir da machen. Mir war das damals nicht bewusst, was so eine einfache Frage auslösen kann.“ Besonders ältere Jahrgänge haben sich für das Angebot interessiert. „Die wollten Geselligkeit, etwas mit Menschen zu tun haben. Kein einziges Mal in den eineinhalb Jahren, seitdem wir das so machen, hat der Faktor Geld auch nur irgendeine Rolle gespielt. Hätten wir ausgeschrieben: 20 Wochenstunden und jedes zweite Wochenende frei, hätten sich viele gleich gar nicht gemeldet.“ Gernot Deutsch, Reinhild Wallner, Martin Neubauer und Karl-Heinz Snobe (v. l.) Ab dem 51. Lebensjahr sinkt die Weiterbildungsrate gegen Null. Die Menschen glauben, dass sie nicht mehr lernen können. Das ist ein großer Irrtum.“ Martin Neubauer, Leiter WIFI Steiermark Neuer Arbeitsmarkt Karl-Heinz Snobe ist überzeugt, dass es auch in Zukunft nur so gehen kann: „Man muss ganz ehrlich auf die Wünsche der Mitarbeiter eingehen. Der Arbeitsmarkt hat sich da komplett gedreht und er wird auch so bleiben. Das wird die neue Normalität, die letzten 20 Jahre waren genau genommen nicht normal, als wir in Österreich am Arbeitsmarkt voll mit Arbeitskräften waren. Es ist dringend notwendig, Leute älteren Semesters zu erreichen.“ Dringend notwendig scheint hier eine Imagekorrektur des Alters, da sind sich alle Experten einig. „Begriffe wie ,Silver Learning‘ oder ,Golden Agers‘ zielen darauf zwar ab, vermitteln aber trotzdem nur, dass es dem Ende entgegengeht“, meint Martin Neubauer. „Hier braucht es eine völlig neue Einstellung, die sich aber nur über Jahre entwickeln kann.“ Wallner hingegen möchte das Image praxisbezogen aufpolieren. „Senioren können doch hervorragende Mentoren sein! Das hat einen großen Stellenwert, ich war in meiner Jugend absolut begeistert von meinen Mentoren und bin es immer noch. Jetzt könnten wir durch den größeren Erfahrungsschatz zu Mentoren werden und ziehen uns an wie 15-Jährige, wollen die besten Freunde unserer Kinder sein. Warum können wir denn nicht stolz auf uns sein? Jetzt könnten wir diese Leute sein, die wir früher als Vorbilder angestrahlt haben.“ Um in dieser Hinsicht auch Die Gruppe 55+ ist die wichtigste und quantitativ größte Gruppe, die man in den Arbeitsprozess eingliedern muss.“ Karl-Heinz Snobe, Geschäftsführer AMS Steiermark etwas weitergeben zu können, muss man natürlich auch etwas zu sagen haben. Dafür ist es in vielerlei Hinsicht von großer Bedeutung, sich weiterzubilden. „Mein Vater konnte noch 90 Prozent von allem, was er in der Ausbildung gelernt hat, bis zur Pension einsetzen“, erzählt Gernot Deutsch. „Bei uns heute spricht man da von 15 Prozent, die einem von der Ausbildung im Laufe des Berufslebens bleiben. Das heißt: Wenn ich mich nicht fortbilde, steh ich irgendwann einmal an.“ Und kann mein Wissen dementsprechend auch nicht weitergeben. Ein weiteres Thema ist die Angst, die viele Pensionisten vor dem Wiedereinstieg haben. „Wir müssen diese Barriere möglichst niedrig halten, da haben wir oft bewusst eine Mauer gebaut, um ja nur die gefühlt Besten zu kriegen. Und diese Mauer müssen wir alle gemeinsam niederreißen, dann werden sich viele Probleme lösen.“ Auch darin waren sich alle Anwesenden einig. www.grazer.at präsentiert

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