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19. April 2020

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- Graz wird offiziell kinderfreundliche Stadt - Landessanitätsdirektorin Ilse Groß beruhigt: „Trotz Corona sterben nicht mehr Menschen als sonst auch“ - Vorgeschmack nach Hause geliefert: Konstantin Filippou im Merkur-Campus - Nur drei positiv getestet: Trotz Corona in Graz so viele Polizisten wie noch nie

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2 graz www.grazer.at 19. APRIL 2020 E D I T O R I A L von Tobit Schweighofer ✏ tobit.schweighofer@grazer.at Wir sind nur einen Schritt entfernt W ährend wir noch alle brav in unseren eigenen vier Wänden sitzen, nimmt das Leben draußen langsam wieder Fahrt auf. Nicht nur, dass die ersten Geschäfte, die coronabedingt schließen mussten, wieder aufgesperrt haben und wir wieder Dinge kaufen können, die wir nicht unbedingt zum Leben brauchen: Am Donnerstag tagt der Gemeinderat, die Augartenbucht wurde eröffnet, der Betrieb in Spitälern und Arztpraxen wird wieder hochgefahren und die Stadt schickt sich an, mit einem umfassenden Maßnahmenplan den offiziellen Titel „kinderfreundliche Stadt“ zu erobern (Seite 6). Selbst die Öffi-Kontrolleure nehmen ihre Arbeit wieder auf, und die Parkplatz-Kontrollen gibt’s auch bald wieder. Es sieht ganz danach aus, als hätten wir das Gröbste überstanden. Aber dieser Gedanke ist verführerisch, denn natürlich weiß das niemand mit Sicherheit. Und auch wenn es wohl die meisten schon nicht mehr hören können: Wir müssen unbedingt weiter durchhalten und die Corona- Vorgaben ganz genau einhalten. Jetzt mehr denn je. Denn nicht nur die sogenannte „Normalität“ ist nur mehr einen Schritt entfernt, sondern dasselbe gilt auch für das ganz dicke, katastrophale Ende der Geschichte. Tobit Schweighofer, Chefredakteur SONNTAGSFRÜHSTÜCK MIT ... ... Edwin Benko Wie wird sonntags „krisenfest“ gefrühstückt? Stets am Tisch steht frisches Marktgemüse und frisches Gebäck, dazu Kaffee. Und ganz wichtig: Zeitungen! Da Sonntag mein „Ausnahmetag“ ist, hab ich länger Zeit fürs Lesen und genieße die Ruhe mit meiner Partnerin. Ruhe haben wir dieser Tage ja Heimquarantäne-bedingt schon fast zu viel. Wie vertreiben Sie sich aktuell die Zeit, wo tanken Sie Kraft für den herausfordernden Beruf? Meist bei Spaziergängen im Umland oder im Stadtgebiet wie beim Hilmteich, oder ich wandere rauf zum St.-Johann-und-Paul-Kircherl. An Tagen wie heute gibt’s normal einen Fixpunkt: familiäres Treffen mit meinen erwachsenen Kindern. Jetzt halt alles im wahrsten Sinne des Wortes distanzierter, sprich telefonisch. Corona schwebt momentan eben über allem. Stichwort Corona – und die damit verbundenen Belastungen vieler Menschen: Sie sind seit Ihrem leitenden Einsatz mit dem Kriseninterventionsteam KIT in der Zeit der Grazer Amokfahrt bekannt geworden. Werden Sie auf der Straße seitdem erkannt? Immer wieder, tatsächlich. Wir sind damals ja aktiv auf die trauernden Menschen in der Innenstadt zugegangen, spendeten Trost, hörten zu. Die Berichterstattung hat ihres dazu beigetragen, dass ich bis heute im Gedächtnis vieler geblieben bin. So entstehen immer wieder neue Kontakte. Ein gefragter Mann sind Sie auch jetzt ... Aktuell melden sich enorm viele Menschen per Anruf oder Videochat mit Themen, die sie belasten: unsere Endlichkeit, Sorgen um die wirtschaftliche Zukunft und die private. Und immer wieder Einsamkeit. Da macht es null Unterschied, ob Läden früher öffnen oder nicht. Die Leute grübeln. Edwin Benkos wichtige Frühstückszutat: Zeitungen, inklusive „Grazer“. Worauf er sich nach Corona am meisten freut: „Hoffentlich wieder Sturm-Spiele im Stadion zu erleben – und die Stimmung dort!“ BEKNO Der Leiter des Kriseninterventionsteams ist jetzt sehr gefragt. Ein Gespräch über neue Bekanntheit, Selbstschutz und den Sinn der Corona-Zeit. Haben Sie selbst Angst vor der Krankheit? Ich habe Respekt. Halte die Regierungsanordnungen genau ein und arbeite allein im Büro. Und ich lebe bewusster. Es stimmt tatsächlich: Du nimmst gewisse Dinge, Schönheiten des Alltags, der Natur, plötzlich viel intensiver wahr. Und du lernst deine Zeit zu schätzen. Wie schützen Sie sich davor, Sorgen von Klienten zu sehr an sich ranzulassen? Einfaches Prinzip: einfühlsam sein – aber nicht weiter. Denn wenn ich bereits mitleidend bin, leide ich selbst und kann nicht mehr seelsorgerisch helfen. Wie merken Sie, dass Ihre Arbeit fruchtet? Wenn man Menschen lang begleitet, sieht, wie sie lernen, den Tag, ihr Leben zu bewältigen und stärker zu werden. Da merke ich die Sinnhaftigkeit meines Tuns. Das wirkt wie ein Motor. Dieser Tage ist „Auferstehung“ ein geflügeltes Wort. Kann uns diese nach Corona gelingen – und wie würde ein gestärktes Herausgehen aus der Zeit aussehen? In Form menschlicher Erkenntnis darin, dass jede Epoche ihren Inhalt hat: Vielen Menschen mag die aktuelle Zeit sinnlos erscheinen – das ist sie nicht. Nutzen wir die Chance, unsere Gesundheit und die Vielfalt, die uns das Leben in diesem Land schenkt, neu zu erkennen. Ein Spruch von Hermann Hesse lautet: ‚Das Paradies schätzt man erst, wenn man daraus vertrieben wird.‘ Lernen wir, es wieder zu schätzen. PHILIPP BRAUNEGGER Edwin Benko (geb. 1954 in Graz) ist Leiter des Steirischen Kriseninterventionsteams KIT, das seit dem Grubenunglück in Lassing 1998 Menschen in Krisensituationen unterstützt. Er führt eine Praxis als Psychotherapeut in Graz. Benko ist auch Autor von Fachliteratur wie „Plötzlicher Tod — Abschied und Trauer“.

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