26 graz www.grazer.at 17. NOVEMBER 2024 Runder Tisch Besonders beim Hausbau Gustav Spener, Dieter Kinzer, Gerald Gollenz und Wolfgang Wachschütz (v. l.) diskutierten über den Umgang mit Katastrophensituationen. GASSER (5) INFORMATIV. In den letzten Wochen und Monaten kam es vermehrt zu Extremwetter-Situationen und Katastrophenfällen mit zahlreichen Zerstörungen. Diese Entwicklung betrifft die Immobilienbranche in besonderem Maß. Wir haben die relevantesten Experten zum Runden Tisch in die San Bar gebeten. Von Tobit Schweighofer tobit.schweighofer@grazer.at Die immer häufiger auftretenden Sturm- und Hochwassersituationen wirken sich auch enorm auf das Bau- und Immobilienwesen aus. Mit dem WK-Obmann der Fachgruppe Immobilien- und Vermögenstreuhänder Gerald Gollenz, dem WK-Obmann der Versicherungsmakler Wolfgang Wachschütz, dem Präsidenten der Notariatskammer Steiermark Dieter Kinzer und dem Präsidenten der Kammer der Ziviltechniker:innen Gustav Spener haben wir die relevantesten Experten der Steiermark an einem Runden Tisch versammelt, um die hochaktuelle Problematik zu analysieren und Tipps für „Grazer“-Leser für den Umgang damit herauszuarbeiten. Als ersten Schritt braucht es eine grundsätzliche Sensibilisierung für das Thema: „Man muss genau schauen, wo man baut und wie man baut“, meint Gollenz. „Es gab in den letzten Jahren schon die Tendenz, jedes Fleckerl Erde, das man gehabt hat, zu verkaufen, damit dann irgendjemand irgendwas drauf baut. Zusätzlich zur stark zunehmenden Flächenversiegelung entstehen so die zerstörerischen Hochwassersituationen. Da reicht es nicht, nur zu versuchen, die Klimaziele zu erreichen. Wir müssen dringend darauf aufpassen, nicht jeden Fleck zu verbauen, den wir haben.“ Stattdessen sollte man mehr auf Nachverdichtung setzen, um Unglücke wie in Niederösterreich oder zuletzt in Spanien möglichst zu vermeiden. lnformation ist alles Dabei existieren grundsätzliche Regulatorien, die dabei helfen sollten, diese Risiken zu minimieren. „Es gibt ja Gefahrenschutzpläne, es ist also heutzutage eigentlich kein Problem mehr, zu erfahren, wo ein hochwassergefährdetes Gebiet ist“, erklärt Spener. Aber nicht nur für die Planer sind diese Informationen zugänglich, sondern auch für die Allgemeinheit. „Vom GIS, dem Geoinformationssystem Steiermark, kriegt man genau ausgewiesen, ob ein Grundstück gefährdet ist.“ Auch auf der Plattform Hora (www.hora.gv.at) kann man sich kostenlos ganz genau über alle relevanten Fakten informieren. Sobald man sich darüber im Klaren ist, kann man sein Bauprojekt dementsprechend planen. „Wenn ich weiß, dass Hochwasser auf meinem Grundstück stattfinden können, dann macht es zum Beispiel keinen Sinn, einen Keller zu planen. Das sind ganz wichtige Informationen, durch die man im Ernstfall enorm hohe Kosten vermeiden kann.“ Obendrein muss man sich darüber informieren, wie man sich im Notfall verhalten sollte. „Wenn ich den Keller schon habe und der überflutet ist, gehen leider viele hinunter, um nachzuschauen, stehen im Wasser und erleiden einen Stromschlag. Auf diese Weise gibt es tatsächlich die meisten Todesfälle.“ Viele Fallen Eine weitere „Falle“ erwartet den Häuslbauer in der Einordnungs der Gebiete nach ihrer Hochwasser-Wahrscheinlichkeit. HQ 100 bedeutet etwa, das einmal in hundert Jahren eine Überschwemmung zu erwarten ist. Diese Bemessungen werden jedoch aufgrund der Folgen des Klimawandels neu evaluiert und nach unten nivelliert, was
17. NOVEMBER 2024 www.grazer.at graz 27 regiert der Hausverstand einen Werteverlust des Grundstückes bedeutet. „Hier kann man eigentlich nichts machen, das ist eine ähnliche Problematik wie bei einer allfälligen Rückwidmung. Das ist zum Glück nicht alltäglich, aber es kann tatsächlich passieren“, weiß Kinzer. In solchen Fällen kann auch keine Versicherung helfen. Überhaupt sollte man sich nicht blind darauf verlassen, ohnehin eine Versicherung zu haben. „Das ist meistens nur ein Tropfen auf dem heißen Stein“, erklärt Wachschütz. „Im Durchschnitt sind das vielleicht maximal 15.000 Euro, die von der Privatversicherung zur Verfügung gestellt werden. Der Katastrophenfonds wird oft als heilige Kuh dargestellt, ist aber meistens eine herbe Enttäuschung für die Geschädigten, weil eben letztendlich nur ein Bruchteil der Schadenssumme zur Verfügung steht. Man rechnet pro Geschädigtem mit einem Anteil von zehn bis 15 Prozent des Schadens. Wenn ein Haus im wahrsten Sinne des Wortes den Bach hinuntergeht und unbewohnbar wird, ist die derzeitige Ersatzleistung in Höhe von 10 bis 15 Prozent eine wahre Katastrophe.“ Damit man vor solchen Situationen geschützt ist, fordert Wachschütz eine Versicherungspflicht über die Feuerversicherung. „Unser vorgeschlagenes Modell der Versicherungswirtschaft beruht darauf, in der Feuerversicherung einen Passus einzuziehen, damit man hier auch automatisch gegen Naturkatastrophen mitversichert ist.“ Dies würde einen Rechtsanspruch auf Leistung, eine Entlastung für Staat und Gemeinden sowie die Expertise der Versicherung in der Schadenregulierung bringen. Eine derartige Versicherungslösung gibt es in Belgien bereits seit 2007 bei hoher Akzeptanz. Weshalb unser Konsumentenschutz hier auf der Bremse steht, ist nicht zu verstehen. Kopf einschalten Fundamental wichtig ist jedoch, den Hausverstand einzuschalten. In diesem Punkt sind sich alle Gesprächsteilnehmer einig. „Wenn jemand ein Auto kauft, liest er sich Magazine durch, studiert Tests, macht Probefahrten und so weiter. Aber bei einem Hausbau oder -kauf machen sich die Leute viel weniger Gedanken“, wundert sich Gollenz. Man sollte sich unbedingt bei Experten informieren. „Der erste Weg sollte zur Gemeinde gehen, um alles über das Grundstück zu wissen, und dann zu einem Notar“, meint Kinzer. „Trotzdem darf man nicht alles auf Experten schieben und den eigenen Kopf ausschalten. Das passiert leider viel zu oft.“ Wir müssen darauf aufpassen, nicht jeden Fleck zu verbauen, den wir haben. “ Gerald Gollenz Man darf nicht alles auf Experten schieben und den eigenen Kopf ausschalten.“ Dieter Kinzer Der Katastrophenfonds wird nur zu oft als heilige Kuh dargestellt.“ Wolfgang Wachschütz Heutzutage ist es kein Problem, zu erfahren, wo ein hochwassergefährdetes Gebiet ist.“ Gustav Spener
Laden...
Laden...