16 eco graz www.grazer.at 16. JÄNNER 2022 Fabian Kleindienst 14 fabian.kleindienst@grazer.at Wir mussten uns aus dieser Krise hinausinvestieren.“ Vize-Landeshauptmann Anton Lang bei der Präsentation der Pläne der Landesregierung über Ausgaben, die nicht budgetiert, aber notwendig waren FREISINGER AK-Präsident Pesserl zur Impfpflicht: „In der Strategie ist ganz viel danebengegangen” AK-Präsident Josef Pesserl sieht mehrere große Herausforderungen im Jahr 2022. AK STMK/GRAF-PUTZ INTERVIEW. Arbeiterkammer-Steiermark-Präsident Josef Pesserl spricht im Interview über die Notwendigkeit, 2022 die Massenkaufkraft zu steigern, über die Bedeutung der Work-Life-Balance und die Impfpflicht. Von Fabian Kleindienst fabian.kleindienst@grazer.at Herr Pesserl, vor mehr als einem Jahr sagten Sie im „Grazer“-Interview, wir müssten uns aus der Krise rausinvestieren. Wie ist uns das Ihrer Ansicht nach bisher gelungen? Josef Pesserl: „Wenn man sich die Entwicklung des Arbeitsmarktes anschaut, haben wir als Wirtschaftsstandort Österreich, denke ich, keine so schlechte Performance hingelegt. Im Zusammenhang mit Beschäftigung haben wir allerdings noch vor allem eine große Herausforderung im Jahr 2022 – das ist die Erhaltung der Massenkaufkraft. Das heißt, dass die Menschen sich etwas leisten, etwas einkaufen können – davon profitieren die Unternehmen, und das schafft Arbeitsplätze.“ Wo könnte man da ansetzen? Pesserl: „Wir müssen aufpassen, dass uns die Preisentwicklung nicht davongaloppiert, und die Massenkaufkraft gleichzeitig durch steuerliche Entlastung der Arbeitseinkommen stärken. Wir haben noch immer das Phänomen, dass Einkommen aus Arbeit wesentlich höher besteuert wird als Einkommen aus Vermögen. Da muss man ernsthaft versuchen, einen Ausgleich herbeizuführen, damit die Kaufkraft der Masse – und die bezieht kein Einkommen aus Vermögen, sondern aus eigener Hände Arbeit – erhalten bleibt. Die zweite Komponente sind unmittelbar die Löhne und Gehälter. Das wird 2022 wieder eine große Herausforderung sein, die Teuerungen einigermaßen zu kompensieren.“ Eines der wohl größten Themen am Arbeitsmarkt war zuletzt, dass die Arbeitslosigkeit zurückgeht, gleichzeitig aber viele Unternehmen verzweifelt auf der Suche sind. Pesserl: „Da gibt es sicher verschiedene Gründe. In bestimmten Bereichen sind tatsächlich die Fachkräfte nicht vorhanden, in anderen geht es aber klar darum, dass Arbeitnehmer unter den Bedingungen, unter denen sie bisher gearbeitet haben, nicht mehr arbeiten wollen. Das muss man auch verstehen – da geht es nicht gegen die Arbeitgeber, sondern darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine einigermaßen zumutbare Arbeitserbringung ermöglichen.“ Erst diese Woche hat Billa eine Studie veröffentlicht, nach welcher Freizeit für das Wohlbefinden der Österreicher immer wichtiger wird. Ist also vielleicht auch das Thema Work-Life-Balance in diesem Zusammenhang entscheidend? Pesserl: „Natürlich. Die Zeiten haben sich geändert, es gibt ein ganz großes Bedürfnis der Menschen, nicht nur für die Arbeit da zu sein, sondern auch zu leben. In dem Zusammenhang spielt es eine besondere Rolle, welche Arbeitszeiten Mitarbeitern angeboten werden, wie sich das mit ihren Aufgaben für die Familie vereinbaren lässt und wie es mit der gesundheitlichen Belastung aussieht. Da darf es nicht darum gehen, einander auszuspielen, sondern darum, über diese Herausforderungen gemeinsam und völlig tabulos einen Diskurs zu führen. Wenn die Leute Arbeit haben, gesund bleiben, ein gutes Einkommen haben – dann profitieren alle davon.“ Eines der brennendsten Themen aktuell ist die für Februar angekündigte Impfpflicht – die ja auch für Arbeitnehmer Fragen aufwirft. Bekommen Sie bei der Arbeiterkammer Anfragen von Menschen, die sich um Ihre Jobs sorgen? Pesserl: „Ja, natürlich, genügend. Aber nach aktuellem Stand ist es zumindest so, dass – sollte die Impfpflicht tatsächlich beschlossen werden – der Arbeitsplatz an sich davon nicht unmittelbar betroffen ist. Da gilt die 3-G-Regel. Sorgen bereitet mir aber das Zwischenmenschliche.“ Wie sehen Sie die Maßnahme? Pesserl: „Die Zahlen zeigen, dass die Impfung zumindest den Großteil der schweren Krankheitsverläufe verhindert. Nun wäre es die Aufgabe der Politik gewesen, die Gesellschaft zusammenzuhalten, auf die Leute zuzugehen und positive Anreize zu setzen. Das hat man leider verabsäumt, stattdessen hat man die Gesellschaft gespalten, indem man sie in die Guten und die Bösen geteilt hat. Jetzt setzt man noch die Impfpflicht drauf. Also in der Strategie ist da ganz, ganz vieles danebengegangen. Ich glaube, es gäbe immer noch die Chance, auf die Menschen zuzugehen und Anreize zu setzen – obwohl es natürlich immer schwerer wird, weil man so viele Möglichkeiten versäumt hat. Trotzdem denke ich, dass es der bessere Weg wäre.“
16. JÄNNER 2022 www.grazer.at graz eco 15 17 ➜ TEURER FOTO Fleisch +2,9 % Ein vegetarischer Neujahrsvorsatz könnte Geld sparen. Denn: Fleisch wurde etwas teurer. Nachrichtenübermittlung –2,2 % Gerade richtig zu Corona-Zeiten. Die Kosten für Nachrichtenübermittlung haben abgenommen. BILLIGER ➜ Bildung gegen Arbeitslosigkeit INTERESSANT. Wie Daten des AMS belegen, gibt es im Raum Graz einen engen Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Bildungsgrad. Das AMS selbst bietet aber Qualifizierungsprogramme an. Von Fabian Kleindienst fabian.kleindienst@grazer.at Die Arbeitslosigkeit ging im Jahr 2021 stark zurück, wie die Jahresbilanz des AMS zeigte (wir berichteten). Hauptgrund war der wirtschaftliche Aufschwung, aber auch diverse Qualifizierungsprogramme trugen dazu bei, so eröffnete auch das AMS über das Qualifizierungsprogramm „Corona-Joboffensive“ vielen Menschen „neue berufliche Chancen in Zukunftsfeldern wie Handwerk und Technik, Umwelt, IT und Pflege“, wie Landesgeschäftsführer Karl-Heinz Snobe betont. Auch im heurigen Jahr werde einen „das Thema der arbeitsplatznahen Ausbildung von Fachkräften intensiv beschäftigen“. Bildung bleibt also Trumpf – das zeigen auch die aktuellen Zahlen aus dem Raum Graz. Auf den Bildungsgrad heruntergebrochen, machten Menschen mit Pflichtschulausbildung den größten Teil der arbeitslos gemeldeten Personen aus: 9280 Menschen waren hier als beschäftigungslos gemeldet – immerhin ein klarer Rückgang von 19,2 Prozent. Deutlich besser sah es bei Menschen mit Lehrausbildung aus: Hier waren Ende des Jahres im Raum Graz 25,2 Die Arbeitslosigkeit geht zurück, Bildung spielt aber eine große Rolle. GETTY Prozent weniger arbeitslos gemeldet als 2020, konkret 4416. 564 Personen mit „mittlerer Ausbildung“ scheinen in der AMS-Statistik als arbeitslos gemeldet auf (-27,0 Prozent), 1890 mit „höherer Ausbildung“ (-24,7 Prozent) und 1721 mit „akademischer Ausbildung“. W I R T S C H A F T EcoNews fabian.kleindienst@grazer.at IBOBB Events ■ Das Grazer IBOBB-Café ist als kostenlose Informationsdrehscheibe DIE Anlaufstelle für Fragen rund um Bildung und Beruf. „Als Stadt wollen wir die Eltern Martina Kaufmann fordert weitere bei diesen Entscheidungen bestmöglich Ausbildungsangebote. PHOTO SIMONIS beraten und begleiten“, weiß Stadtrat Kurt Hohensinner. In den kommenden Wochen Lehr-Weiterbildung warten spannende Online-Vorträge ■ Weil der Fachkräftemangel zu den Themen Schulen, auch 2022 zum zentralen Thema Lehre, Herausforderungen und wird, fordert die Grazer ÖVP- Co. Termine auf www.graz.at. Nationalratsabgeordnete Martina Kaufmann die „Entwicklung neuer und höherqualifizierender postsekundärer Ausbildungsangebote im Rahmen der höheren beruflichen Bildung und Weiterbildung, für Personen, die über eine berufliche Erstausbildung (Lehrabschlussprüfung) verfügen“. Es sollen also Weiterbildungen Das Grazer IBOBB-Café bietet laufend Online-Vorträge an. GETTY geschaffen werden, die auf der Lehrabschlussprüfung aufbauen.
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