8 graz www.grazer.at 14. JUNI 2020 Klimatologin Helga Kromp- Kolb war bei „Styria Ethics 2020“ in Graz zu Gast und besuchte auch den „Grazer“ für ein hochinteressantes Gespräch.LUEF „Das Denken muss sich ändern“ IM GESPRÄCH. Die renommierte Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb über die Grazer Bemühungen gegen den Klimawandel, alte Gewohnheiten und Kommunikationsprobleme in der Klimapolitik. Von Tobit Schweighofer tobit.schweighofer@grazer.at In Graz passiert derzeit relativ viel, was den Klimaschutz angeht. Bürgermeister Siegfried Nagl will mehr Bäume pflanzen lassen, am Tummelplatz wurde eine Sprinkleranlage installiert und auch der Radverkehr wird massiv ausgebaut. Was halten Sie von diesen Bemühungen? Ich glaub, es geht darum, insgesamt eine Änderung herbeizuführen. Und dafür muss man auf verschiedenen Ebenen aktiv werden. Von Gesetzen bis zu Weltbildern, die man ja nicht leicht ändern kann, Gewohnheiten zu ändern ist dagegen einfach. Die angesprochenen Aktionen sind wichtig und haben ihre Berechtigung. Wenn es aber nur bei der Aktion alleine bleibt, dann ist es hinausgeworfenes Geld. Es muss alles ein Teil eines Gesamtkonzeptes sein, das Bewusstsein schafft. Damit sich Gewohnheiten verändern, Strukturen sich verändern und letztlich das Den- ken ein anderes wird. Ist es wirklich so einfach, Gewohnheiten zu ändern? Leicht ist es nicht, aber im Vergleich zu mentalen Bildern ist es schon einfach. Ich kann mich leichter daran gewöhnen, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren, als dass ich völlig umdenke, Konsum einschränke und die Natur achtsam behandle. Das erfordert viel mehr Vorbereitung. Oder extreme Ereignisse. Wie zum Beispiel eine globale Pandemie? Ja, genau. Wenn die Menschen erkennen, warum sie es machen müssen, dann sind sie auch bereit, es zu tun. Wieder umgelegt auf das Klima: Braucht es wirklich einen solchen kollektiven Schockmoment, damit sich was ändert? Ich bin Klimatologin und sehe natürlich, wohin das Ganze führt und dass das wirklich eine Katastrophe ist. Aber das, was wir tun müssen, um dieser Katastrophe zu entgehen, führt dazu, letztendlich ein besseres Leben zu haben. Sollte man dann die Menschen nicht eher positiv dazu motivieren, auf die Umwelt zu achten, anstatt Horrorszenarien als Abschreckung zu skizzieren? Ich glaube nicht, dass wir unbedingt die Katastrophen brauchen, es ist noch viel zu wenig transportiert worden, wie gut unser Leben dann wäre, wenn wir auf die Welt achten. Es werden immer nur ganz kleine Elemente gesehen, wie zum Beispiel „Oh Gott, jetzt darf ich nicht mehr Auto fahren“. Aber es wird nicht mitgedacht, dass die Straßen dafür frei sind, dass man weniger Lärm hat, dass die Luftverunreinigung zurückgeht, dass man gesünder ist, dass die Kinder alleine in die Schule oder sonstwohin gehen können, weil sie nicht mehr so gefährdet sind, und so weiter. Alle diese positiven Sachen werden viel zu wenig kommuniziert. Es geht also um ein Kommunikationsproblem? Es geht um ein Kommunikationsproblem, aber auch um ein Vorbildproblem und um das Problem, dass man es nicht ausprobieren darf. Das ist ganz wesentlich. Weil, wenn ich jemandem sage: „Verkauf dein Auto und ab morgen verwendest du es nicht mehr“, dann ist das eine unheimlich schwerwiegende Entscheidung. Wenn ich aber sag: „Mach Autofasten über zwei Wochen, schau dir einmal an, wie das geht, und wenn es dir nicht passt, hast du eh noch dein Auto, und wenn es dir passt und du siehst, dass du das Auto eh nicht oft brauchst oder ein Taxi billiger wäre, bleib dabei“, dann wird das keine schwere Entscheidung mehr. Helga Kromp-Kolb Helga Kromp-Kolb wurde 1948 in Wien geboren und ist eine der renommiertesten österreichischen Klimatologen. 1991 erhielt sie den Konrad-Lorenz-Preis, 2005 wurde sie Wissenschaftlerin des Jahres, 2013 erhielt sie das Große Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich.
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