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14. April 2024

- Neuer Adventmarkt am Grazer Karmeliterplatz wird kommen - Sonntagsfrühstück mit Mr. Steiermark Christopher Dengg - Eigene Ordnungswache für Hunde geplant - Grazer Innenstadt-Baustelle: Klagen häufen sich - „Grazer"-Runder Tisch zum Thema Bauwirtschaft

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eco 20 www.grazer.at 14. APRIL 2024 Runder Tisch „Leerstandsabgabe und eine EXPERTENTALK. Was bringt eine Leerstandsabgabe und warum läuft sie ins Leere? Wie kann ich mich beim Hausbau absichern? Und wie werden wir in Zukunft wohnen? Diese und viele andere spannende Fragen haben vier Experten beim vom „Grazer“ moderierten Runden Tisch zu einem Immobilien-Schwerpunkt diskutiert. Von Sabrina Naseradsky sabrina.naseradsky@grazer.at Die sogenannte Leerstandsabgabe sorgt für Ärger bei Immobilienbesitzern. Beim jüngsten Runden Tisch diskutierten Manfred Stranz, Vorstandsvorsitzender GRAWE IMMO AG, Marcella Handl, Notarin, Notariatskammer Steiermark, Gernot Tilz, Stellvertretender Innungsmeister der Landesinnung Bau, und Wolfgang Wachschütz, Obmann-Stv. Versicherungsmakler, WKO Steiermark, über Absicherung beim Hausbau und wie wir in Zukunft wohnen werden. Baustopp Derzeit wird so wenig gebaut wie noch nie. Grund sind die gestiegenen Preise für Baumaterialien, aber auch die hohen Hürden für Kredite tragen dazu bei, dass immer weniger gebaut wird. „Wir haben diese Entwicklung kommen sehen und auch davor gewarnt“, erklärt Gernot Tilz und ergänzt: „Die Bau- und Immobilienbranche ist ein träges Schiff. Sie braucht eine lange Ausgleitpha- se, im Gegenzug aber auch sehr lange, bis sie wieder in Schwung kommt.“ Einig waren sich die Experten, dass die derzeitigen Vorgaben bei den Kreditvergaben den Kauf von Immobilien nicht unbedingt ankurbeln. Wolfgang Wachschütz: „Es gibt zurzeit sehr viel Verunsicherung. Die Zinssteigerungen und die KIM- Verordnung tragen nicht dazu bei, den Menschen diese Verunsicherung zu nehmen.“ Manfred Stranz geht ins Detail: „Man muss sich schon auch die Frage stellen, warum sind die Preise beim Bauen, aber auch bei der Energie so stark gestiegen? Warum werden die derzeit sinkenden Preise nicht weitergegeben? Warum ist immer noch alles so teuer?“ Früher war der Zugang zum Kauf einer Wohnung ein anderer, wie Handl weiß: „Wenn man früher 100.000 Euro gespart hatte, hat es geheißen: ,Kauf dir nicht eine Wohnung, sondern nimm das Geld als Eigenmittel und kauf dir mehrere. Der Rest wird finanziert.‘ Das geht sich heute mit den Zinssteigerungen aber alles nicht mehr aus.“ Tilz: „Wir haben derzeit auch einen Tiefstand an Baugenehmigungen.“ Leerstandsabgabe Die Leerstandsabgabe ist ein Thema, das allen vier Diskutanten unter den Nägeln brennt. „Die Baubranche war in den letzten Jahren aufgrund des Booms ,der Zubetonierer‘. Dabei geht es immer um Angebot und Nachfrage. Die Nachfrage war da, und daher wurde auch produziert“, so Tilz. Aus Sicht der Experten wird das jetzt alles vonseiten der Politk umgedreht und es heißt, man solle nicht mehr produzieren. Dabei stellt man sich die Frage, wie der Leerstand von rund 230.000 Wohnungen in Österreich überhaupt festgestellt wurde. „Uns hat für Graz keiner gefragt, wie viel Leerstand wir haben. Bei uns kann ich ganz genau sagen, was leer ist“, erklärt Stranz. „Für mich ist vor allem die Treffsicherheit der Maßnahme nicht gegeben. Aus meiner Sicht ist das Mietrechtsgesetz auch mit ein Grund, warum viele nicht vermieten“, berichtet Handl aus der Praxis. „Wenn man so wie wir als GRAWE IMMO AG ein gewerblicher Vermieter ist, zahle ich Strafe dafür, dass ich einen Leerstand habe. Und das, obwohl ich diesen gar nicht haben will“, so Stranz. „Am Ende des Tages ist es doch so, dass mit der Finanzierung von Wohnraum und den damit verbundenen Gebühren und Abgaben auch die allgemeine Infrastruktur finanziert wird. Eigentlich müsste man jemandem, der eine leerstehende Immobilie hat, dankbar dafür sein, denn er zahlt ja auch die laufenden Gebühren dafür“, ist Tilz überzeugt. Stranz ergänzt: „Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass Leerstand nichts kostet. Das stimmt so nicht, denn es entgeht einem ja nicht nur die laufende Miete, sondern der Eigentümer muss auch die anteiligen Betriebskosten selber zahlen.“ „Zudem bleibt bei Leerstand ja auch das Vermögen brach liegen“, erklärt Handl. Für Wachschütz ist vieles auch ideologisch gesteuert. „Es gibt aus meiner Sicht keine Objektivität mehr. Dass man reflektiert, überlegt, was man macht, und dass auf die Bedürfnisse der Menschen eingegangen wird. Es fallen mir viele Beispiele ein, in welchen versucht wurde, etwas Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass Leerstand nichts kostet.“ Manfred Stranz, Vorstandsvorsitzender GRAWE IMMO AG Gerade beim Hausbau ist es wichtig, sich selbst abzusichern.“ Marcella Handl, Notariatskammer Steiermark

14. APRIL 2024 www.grazer.at eco 21 Bauwirtschaft in der Krise“ www.grazer.at präsentiert Wolfgang Wachschütz, Gernot Tilz, Marcella Handl und Manfred Stranz (v. l.) sprachen über die Leerstandsabgabe, den Zustand der Bau- und Immobilienbranche und darüber, warum es so wichtig ist, sich gerade beim Hausbau abzusichern, und welche Wohnkonzepte in der Zukunft Sinn haben. BENJAMIN GASSER (5) zu beleben und zu attraktivieren, etwa die Annenstraße in Graz. Die war als Flaniermeile konzipiert, hat aber nicht funktioniert, weil sie nicht auf die Bedürfnisse abgestimmt war, sondern ideologisch umgesetzt wurde.“ Stranz kündigt an: „Für uns ist klar: Wir werden die Leerstandsabgabe rechtlich überprüfen lassen, denn aus unserer Sicht ist diese Abgabe nicht fertig gedacht und schießt am Ziel vorbei.“ Mit der Finanzierung von Wohnraum und den Abgaben finanziert man Infrastruktur.“ Gernot Tilz, Stv. Innungsmeister Innung Bau Zukunft Auch die Ansprüche der Menschen werden sich in den nächsten Jahren massiv ändern. Es entstehen neue Stadtteile, die allerdings oft als negative Beispiele angeführt werden. Dem widerspricht Tilz: „Ich glaube nicht, dass dort alles so unglaublich schlecht ist. Viele wollen sich nur in ihrem eigenen Radius bewegen.“ Wachschütz stößt ins Absicherung beim Hausbau wird von privaten Bauherren oft unterschätzt.“ Wolfgang Wachschütz, Stv. Obmann Versicherungsmakler selbe Horn: „Viele können sich vielleicht auch nicht mehr so gut bewegen und wollen dann in einem Haus wohnen, in dem die Infrastruktur passt und ich vor meiner Tür im dritten/vierten Stock aus dem Lift aussteigen kann.“ „Menschen wollen auch oft in eine zentrale Lage ziehen, in der sie alles bequem erreichen können“, weiß auch Stranz. Dennoch können viele solcher Liegenschaften nicht genutzt werden, da bei einer nachträglichen Nachverdichtung, etwa der Dachbodenflächen, oftmals der notwendige Lift nicht oder nicht in der passenden Höhe genehmigt wird. Auch das Thema Absicherung darf nicht außer Acht gelassen werden. „Vielen ist nicht bewusst, wie sie sich absichern müssen. Vor allem, wenn sie bei den Eltern oder Schwiegereltern aus- oder zubauen. Es macht Sinn, sich zuerst abzusichern, bevor man den ersten Euro investiert“, so Marcella Handl. Generell sind sich die Experten einig, dass vor allem Bauherren oft nicht über den richtigen Versicherungsschutz Bescheid wissen. „Wichtig wäre eine Bauwesen- oder Leistungsversicherung. Denn diese schützt den Bau auch während der Bauzeit. Diesen Schutz haben die wenigsten“, erklärt Wolfgang Wachschütz. Auch Gernot Tilz sieht die Notwendigkeit einer solchen Versicherung: „Diese Versicherung gewinnt immer mehr an Bedeutung, da es bekanntlich zu immer mehr Unwettern kommt und dadurch auch mehr Schäden an den Rohbauten entstehen.“

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