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13. Oktober 2019

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- Lebensmittelverschwendung: Wir werfen 7000 Tonnen in den Müll - Mehr Sicherheit für den Landtag - Kinder an die Macht: Stadt Graz beruft Jugendrat ein - Hart bei Graz: Bürgerbeteiligung zum Bildungscampus - Gewinner des Urlaubsfotos 2019 - Stadtplanung soll weiblicher werden - 11. „Grazer“ Wirtschafts-Stammtisch

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2 die seite zwei www.grazer.at 13. OKTOBER 2019 E D I T O R I A L von Tobit Schweighofer ✏ tobit.schweighofer@grazer.at Wir empören einen neuen Nobelpreisträger S o überraschend, wie die Literaturnobelpreisverleihung an Peter Handke auch war, so euphorisch wird der Dichter jetzt von allen landauf, landab gefeiert und sein Nobelpreis umgehend zu unser aller Nobelpreis gemacht. Nicht überall auf der Welt wird er gefeiert, es gibt ja teilweise vernichtende Stellungnahmen zur Wahl Handkes. Aber zumindest in Österreich. Und zumindest jetzt. Vor ein paar Jahren hat das noch ganz anders ausgesehen. Als Handke als „junger Wilder“ in Graz schrieb, war er großer Empörung ausgesetzt. Und Handke durfte damit spielen, die Gesellschaft provozieren und wir waren ihm schutzlos ausgeliefert. Ein befruchtendes Spiel, das viele Kräfte freigesetzt hat, aus dem der provokante und geniale Dichter Handke entstand und ihm – nein, Verzeihung: uns allen – letzten Endes einen Nobelpreis einbrachte. In den letzten paar Jahren war jedem irgendwie alles relativ egal, und dieses „Leben und Lebenlassen“ hat niemanden aus seiner Komfortzone gebracht. Das Klima, um mögliche Nobelpreisträger zu gebären, war viel zu gelassen, also schlecht. Jetzt ändert sich das, denn wir sind neuerdings wieder viel leichter zu empören. Zumindest wenn man sich die vielen harschen Reaktionen auf unsere jungen schulschwänzenden Umweltschützer ansieht, darf man auf einen Nobelpreisträger in baldiger Zukunft hoffen. Tobit Schweighofer, Chefredakteur SONNTAGSFRÜHSTÜCK MIT ... ... Oliviero Toscani Schon in der Früh hat Fotokünstler Oliviero Toscani eine Kamera in der Hand statt einer Kaffeetasse. Nächste Woche ist er mit zwei Ausstellungen (17. 10., Atelier Jungwirth, 18. 10., Landhaushof), einem Talk (17. 10., Congress) und einem Workshop (19. und 20. 10., Atelier Jungwirth) in Graz. JUNGWIRTH Der italienische Starfotograf ist ein Fan von Bob Dylan und Kanada. Linz kennt er bis jetzt besser als Graz. Nächste Woche kommt er aber in die Stadt. Italiener sind nicht gerade für ein ausgiebiges Frühstück bekannt. Wie sieht’s bei Ihnen aus? Das kommt drauf an, wo ich gerade bin – ob zuhause am Bauernhof in Italien oder in New York, ist ein Unterschied. Aber ich habe beim Frühstück wie sonst auch keine Regeln, es gibt nichts, was ich unbedingt brauche. Ich nehme auch keine Drogen, rauche nicht und trinke Alkohol nur zum Vergnügen – ich bin ein langweiliger Mann! (lacht) Und am Sonntag: Action oder Entspannung? Ich bin immer in Bewegung! Ich wüsste auch nicht, wovon ich entspannen sollte. Ich bin nicht müde – müde wovon? Ich tu ja nichts, nur weil es mir jemand sagt. Außerdem drücken sich Menschen über ihre Arbeit aus. Picasso ist Picasso wegen seiner Arbeit, nicht wegen seiner Freizeit. Zu Ihrer Arbeit: Wie sind Sie Fotograf geworden? Ich würde gar nicht sagen, dass ich einer bin. Das ist ein Label, das ich bekommen habe, weil ich die Kamera verwende, um mich auszudrücken. In Ihren Bildern kommen polarisierende Themen wie Rassismus, AIDS, Todesstrafe oder Magersucht vor ... Die haben mich beschäftigt. Ich habe viel darüber nachgedacht. Ich fotografiere ja nicht etwas, das ich sehe, so wie ein Reporter oder Pressefotograf, sondern ich sehe das Foto zuerst vor mir. Momentan beschäftigt mich, dass wir noch immer Kriege führen müssen, um Probleme zu lösen. Wie stehen Sie zu dem modernen Phänomen, dass alles fotografiert und sofort gepostet wird? Verlernen wir, im Moment zu leben? Fotos zu machen ist leichter als zu reden. Vor allem etwas Gescheites zu sagen ist schwieriger als ein Selfie zu machen. Die Leute, die das ständig tun, respektieren sich selbst eigentlich nicht. Was macht Sie richtig wütend? Ich werde selten wütend – nur dann, wenn ich glaube, dass es etwas ändert. Über dumme Menschen ärgere ich mich nicht – das ist Zeitverschwendung. Und glücklich? Gute Musik zum Beispiel. Was war das letzte Konzert, auf dem Sie waren? Ich gehe selten auf Konzerte. Aber letztes Jahr war ich bei Bob Dylan. Das ist bei Weitem der beste Musiker meiner Generation – und auch der intelligenteste! Er hat die tollste Lyrik geschrieben! Nächste Woche kommen Sie nach Graz, haben etwa eine Vernissage im Atelier Jungwirth. Waren Sie schon einmal in der Stadt? Ja, aber das ist lange her! Ich bin aber oft bei der Ars Electronica in Linz. Die Stadt kenne ich besser, ich finde, sie ist sehr interessant. Was ist die nächste Reise, die Sie machen? Ich bin von der kanadischen Regierung nach Toronto geladen, um dort über die Zukunft zu sprechen. Kanada ist momentan das wichtigste Land der Welt, finde ich. Es tut viel für moderne Migration. Die Kanadier sind die Gewinner! VERENA LEITOLD Oliviero Toscani wurde am 28. Februar 1942 in Mailand geboren. Er studierte Fotografie und Grafik an der Kunstgewerbeschule Zürich. International bekannt wurde er durch seine teils sehr polarisierenden Kampagnen für Benetton: Porträts von zum Tode Verurteilten oder einer schwarzen Frau, die ein weißes Baby stillt. Außerdem fotografierte er für nahezu alle Größen der Branche: Chanel, Vogue, Harper’s Bazaar und Co.

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