2 die seite zwei www.grazer.at 1. AUGUST 2021 E D I T O R I A L von Tobit Schweighofer ✏ tobit.schweighofer@grazer.at Ein Schelm, wer Böses dabei denkt B ereits 29 bestätigte Covid-Fälle zählt man – Stand Freitag – allein in Graz nach dem Festival „Austria goes Zrce“ vergangenes Wochenende. Österreichweit bestätigt man überhaupt fast 300 Infizierte. Die Dunkelziffer dürfte aber laut Experten weitaus höher liegen. Überraschen darf das niemanden. Wenn man 19.000 ausgehungerte Partytiger auf engstem Raum aufeinander loslässt, ist es natürlich vollkommen illusorisch anzunehmen, dass das gutgehen kann. Noch dazu, weil die Veranstalter schon im Vorfeld damit warben, dass es weder Maskenpflicht noch Abstandsregeln geben würde. Überraschend ist hingegen das Statement von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein, der meint, dass die Sicherheitsstandards in Zrce gut eingehalten wurden. Erstens stimmt das nicht, was ein exklusives Video beweist, das wir im „Grazer“-E-Paper veröffentlicht haben. Und zweitens darf man schon die Frage stellen, welchen Plan die Politik eigentlich verfolgt, wenn die vermeintliche Einhaltung aller Sicherheitsstandards solche Clusterbildungen zur Folge hat. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, aber zumindest die Herdenimmunität erreichen wir auf diese Tour sicher schneller, als wenn wir ernsthaft auf Sicherheit setzen. Tobit Schweighofer, Chefredakteur SONNTAGSFRÜHSTÜCK MIT ... Extremsportler Christoph Strasser hatte nach seinem Weltrekord am Rad zwar relativ wenig Hunger, frühstückt an normalen Tagen aber gerne sehr deftig. KK ... Christoph Strasser Der Grazer Rad-Extremsportler und Weltrekordhalter über den Tag nach seiner Rekordfahrt, Sport als Hobby, Emotionen und eine gelungene Generalprobe. Sie sind als erster Mensch mit dem Rad mehr als 1000 Kilometer in 24 Stunden gefahren – Weltrekord. Gab es da am Tag danach – passenderweise ja ein Sonntag – ein anständiges Frühstück? (lacht) Also am Sonntag, eine Nacht nach dem Rekord, war mir ein bisschen unwohl. Ich habe wenig gefrühstückt und auch wenig geschlafen. Nach so einer Belastung ist einem vor lauter Müdigkeit kalt und heiß gleichzeitig. Ich musste davor ja 15.000 Kalorien zu mir nehmen – da hatte ich am nächsten Tag dementsprechend nicht besonders viel Hunger. Sonst gibt’s aber ein Frühstück? Ja, wenn ich im Training bin, gibt es meistens zwei große Mahlzeiten: vor dem Training ein Frühstück und dann ein großes Abendessen. Beim Frühstück gibt es Tage mit sehr wenigen Kohlenhydraten – also Gemüse, Spiegelei, Käse – und bei intensivem Training wiederum Reis, Kartoffeln oder Gnocchi. Ein deftiges Frühstück vor einem guten Training. Wie kann man sich das Leben als Extremsportler grundsätzlich vorstellen? Gibt es da auch Tage, an denen man mal nichts macht? Mein Leben ist eigentlich gar nicht so außergewöhnlich. Radfahren ist ja nicht mein einziger Job, ich habe auch einen Online-Shop, halte Vorträge, habe neuerdings einen Podcast. Dazu kommen so etwa 30 Stunden Training die Woche. Was mich vermutlich abhebt, ist, dass ich kein Wochenende habe. Ist Sport als Hobby überhaupt noch drinnen? Eigentlich nicht. Ich gehe gerne wandern oder fahre Kajak – aber alles eher in der trainingsfreien Zeit. Unterm Jahr schaffe ich muskulär einfach keinen anderen Sport – da geht nicht einmal Joggen. Was ich privat dann gerne mache, ist Freunde zu treffen. Weil es sich wochenends nur selten ausgeht – und auch gemeinsames Radfahren schwer ist, da findet man kaum ein gemeinsames Tempo (lacht). Das letzte Jahr hat viele aus dem Trainingsrhythmus gerissen, andere haben erst im Lockdown Zeit dafür gefunden. Wie war das bei Ihnen? Am Anfang war das natürlich ein starker Einschnitt, in Summe hat sich im Training aber nicht viel verändert. Eine Umstellung war, dass viele Wettkämpfe abgesagt wurden – und eigentlich war das auch ein Grund für die endgültige Entscheidung, das mit den 24 Stunden wirklich anzugehen. Und wie Sie es angegangen sind! Gab es einen Moment, an dem Sie wussten, dass Sie es schaffen? Das hab ich schon in der ersten Stunde gemerkt. Ich habe viel an Details gearbeitet in der Vorbereitung – und dann sofort gemerkt: „Wahnsinn, es funktioniert gewaltig, ich bin aufgrund der vielen Kleinigkeiten noch schneller als normal.“ Welche Gedanken strömen da durch den Kopf? Man hat viel Zeit zum Nachdenken – die ganze letzte Stunde waren das unglaubliche Emotionen, ich hatte Freudentränen in den Augen und konnte es gar nicht glauben. Eigentlich wollte ich es ja im September zum Saisonhöhepunkt in den USA machen und jetzt nur eine Generalprobe. Aber ich hab so viel Unterstützung bekommen, so eine Begeisterung gespürt – da ist aus der Generalprobe das Meisterstück geworden. Und im September hab ich plötzlich nichts mehr vor (lacht). FABIAN KLEINDIENST Christoph Strasser wurde 1982 in Leoben geboren. Nach Jahren als Fußballer verlegte er sich mit 18 aufs Mountainbiken, 2006 gewann er seine ersten 24-Stunden-Rennen, 2011 erfüllte er sich seinen großen Traum und gewann das Race Across America, 2019 dann zum sechsten Mal. Von 16. bis 17. Juli fuhr er als erster Mensch über 1000 Kilometer in 24 Stunden. Er lebt in Graz, hält Vorträge und hat gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin auch einen Online-Shop.
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